Der Chemiker erklärts…

Frittieren mit Olivenöl - darf man nun oder darf man nicht?

Man darf nicht nur, man soll sogar!

Leider ist viel Unsinn über das Kochen mit Olivenöl zu lesen.

Der Experte erklärt jedoch, dass beim Erhitzen nicht beim Olivenöl krebserregende Stoffe gebildet werden können, sondern eher bei Rapsöl und Sojaöl.

Er gibt Tipps fürs richtige Frittieren und unterstreicht den Gehalt an wertvollen Inhaltsstoffen nativer Öle, die es auch hitzestabiler machen.

Die Geruchs- und Geschmacksstoffe des Extra Vergine Olivenöl verbessern zudem die Sensorik des Bratgutes.

Quelle Merum: https://www.merum.info/

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Zu Beginn der Menschheit ernährten sich die Menschen von rohen Pflanzen, Fisch und Fleisch. Noch heute pflegen die Japaner diese Art der Nahrungsaufnahme unter dem Namen Sushi. Die Fähigkeit, Feuer zu machen, war ein entscheidender Schritt in unserer Evolution. Dieser historische Tag in prähistorischer Zeit eröffnete die Möglichkeit, ein Steak nicht nur roh wie ein Tier zu es-sen, sondern auch blutig, medium oder sogar gut durch-gebraten. Das Feuer ermöglichte es unseren Vorfahren, ihre Nahrung zu konservieren und besser zu verdauen.

Das Fettgewebe getöteter Tiere wurde „hitzebehandelt" um das Fleisch nach dem Ausschmelzen des Fetts länger haltbar zu machen.

Im Laufe unserer Evolution lernten die Menschen, dass tierische Fette und Öle wie Hammelschmalz oder Fischöl sowie später auch pflanzliche Öle wie Oliven-oder Sesamöl nicht nur Nährstoffe sind, sondern auch für andere Zwecke verwendet werden können. Die Metallindustrie benötigt Öle und Fette zur Schmierung, und die Kosmetikindustrie würde ohne Pflanzenöle wahrscheinlich nicht existieren. Der Ausdruck „olio lampan-te" für ein Olivenöl minderer Qualität erinnert uns an die Zeiten, als wir Öllampen benutzten. Olivenöl hatte dabei im Vergleich zu tierischen Fetten den Vorteil, dass seine Flamme nicht rußt.

Viele glauben, dass die Anfänge des Frittierens in den frühen 50er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts liegen, als die ersten Imbissbuden in den Städten auftauchten.

Aber die Geschichte des Frittierens ist viel älter.

Sein Ursprung wird in China vermutet, wo bis heute viele Speisen vor dem Braten im Ofen vorgekocht wer-den. In Agypten fanden Historiker 3000 Jahre alte Bilder aus der Zeit von Ramses III., die das Buttern und einen Arbeitsablauf in einer Bäckerei in Theben zeigen. Eine schraubenförmig geformte Pastete wird dabei in Öl frit-tiert. Dies zeigt uns, dass das Frittieren in Asien und im Mittelmeerraum vor Jahrtausenden ein bekanntes Verfahren für die Zubereitung von Speisen war. Auch die Bibel berichtet von in Öl gebackenem Fladenbrot.

Die Römer verbreiteten das Wissen um die Herstellung von Pflanzenölen - vor allem von Olivenöl - im gesamten Mittelmeerraum. Schon damals wurde Olivenöl als sehr wertvoller Nährstoff erkannt, während tierische Fette wie Butter nur als Ersatz angesehen wurden. Die römischen Eroberungskriege brachten das Wissen um die Verwendung von Pflanzenölen für die Zubereitung von Speisen nach Mitteleuropa. Erst nach dem Untergang des römischen Reiches ab dem fünften Jahrhundert wurden in Buropa tierische Fette zum Braten verwendet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Frittieren immer beliebter und führte zu einer steigenden Nachfrage nach Frittierfetten. Die Lebensmittelindustrie boomte und bietet heute eine große Vielfalt an vorgebackenen und frittierten Produkten an. Das Frittieren verschiedenster Lebensmittel ist einfach, schnell und braucht keinen Maître de Cuisine. Mit Frittieren fasst man das eigentliche Frittieren (engl.: deep-frying), das Backen oder Siedeba-cken (shallow-frying) und das eigentliche Braten in der Pfanne (pan-Erying) zusammen.

Beim Frittieren werden wasserhaltige Lebensmittel so erhitzt, dass das Lebensmittel von allen Seiten vom hei-Ben Fett umgeben wird. Beim Braten in der Pfanne kommt das Lebensmittel nur an einer Seite mit dem heißen Öl in Berührung, und die Wärme wird durch Konduktion auf das Lebensmittel übertragen. Damit das Lebensmittel nicht sofort anbrennt, haben Pfannen eine netzartige Beschichtung oder einen entsprechend strukturierten Pfannenboden, so dass für eine kurze Zeit Wasser aus dem Lebensmittel austreten kann. Wenn kein Wasser aus dem Lebensmittel mehr entweichen kann, trocknet die AuRenschicht aus und die Hitze dringt schnell in das Innere des Lebensmittels ein. In diesem Moment bildet sich dann das berühmt-berüchtigte Acrylamid.

Aufgrund der höheren Wärmekapazität sind Fette beziehungsweise Öle nicht nur für die Wärmeübertragung verantwortlich, sondern sorgen auch dafür, dass das Lebensmittel nicht nur gekocht (bis 100 "C), sondern bei 140 "C bis 200 °C gebraten werden kann. Erst bei diesen Temperaturen können sich infolge der sogenannten Mail-lard-Reaktion zwischen den Kohlenhydraten und den Eiweißstoffen Röstaromen und eine braune Kruste in der Randzone bilden.

Nur so heiß wie nötig

Das in den Kapillaren im Lebensmittel gebundene Wasser spielt beim Braten oder Frittieren die Hauptrolle, denn das kontinuierlich austretende Wasser verhindert zunächst, dass die Lebensmittel verkohlen und sowohl in ihrem Innern als auch in der Randzone nie mehr als 100 °C entstehen können (Kühleffekt), Dieser Prozess kann nicht durch die Wahl einer höheren Temperatur beschleunigt werden, denn die maximale Kerntemporatur (2.B. Pommes Frites:

100 °C) wird fast immer in der gleichen Zeit erreicht, egal ob es in einem Fett mit 170 'C, 180 °C oder 200 °C gebacken wird. Optimale Frittiertemperaturen liegen bei 165 bis 170 °C. Die Wahl einer höheren Temperatur führt nur zu einem schnelleren Fettverderb. Chemische Reaktionen wie der Fettverderb laufen doppelt so schnell ab, wenn man die Reaktionstemperatur um nur 10 "C erhöht!

Beim Schwimmen der Lebensmittel im heißen Fett - wie bei der Herstellung von Beignets, Berliner oder Kap-fen - taucht das Bratgut nicht ganz - wie beim Frittieren - ins heiße Öl, sondern schwimrt an der Oberfläche, so dass das heiße Fett mit nur einem Teil des Lebensmittels in Berührung kommt. Bratgut wie Krapfen werden dabel nach einer gewissen Zeit gewendet, um auch die andere Seite zu erhitzen. Zwischen diesen beiden Schichten bildet sich dann ein sogenannter heller Kragen. Das heiße Frittieról bringt das im Teig gebundene Wasser zum Ko-chen. Der im Lebensmittel gebildete Wassendampf echöht aber ietzt nur das Volumen des Lebensmittels. Nur wenig Wasserdampf kann das Lebensmittel in der Zwischen-schicht (heller Kragen) verlassen.

Besser Olivenöl als Raps- oder Sojaöl

Oft wird fälschlicherweise die Art oder das Alter des Öls für einen hohen Fettgehalt des frittierten Lebensmittels verantwortlich gemacht. Die Belgier frittieren die Kartoffel-scheiben für Pommes Frites bei 140 bis150 'C für rund zwel Minuten vor, um sie erst anschließend bei 170 °C für weitere zwei Minuten fertig zu frittieren. Die Kruste ist dann besser strukturiert und kann weniger Fett aufnehmen.

Wichtig aber ist auch zu wissen, dass der fettzerstö-rende Luftsauerstoff nur zwischen 60 °C und 130 °C vom Öl aufgenommen wird. Um einen schnellen Fettver-derb zu vermeiden, sollte daher die Temperatur in einer Fritteuse nicht unter 130 °C fallen. Das Abkühlenlassen während des Betriebes aufweniger als 130 'C - auch nur für die kurze Zelt, in der man das Fett nicht benutzt - ist daher falsch.

Zum Frittieren werden heute preisgünstige Pflanzenöle wie Rapsöl verwendet. Viele Pflanzenöle waren zu Anfang des vorherigen Jahrhunderts gar nicht dafür ge-eignet. Die gesundheitsschädlichen Glukosinolate im Rapsöl mussten erst weggezüchtet werden. Manche Kon-taminanten wie das toxische Gossvpol in Baunawollsaatöl müssen durch Raffination erst entfernt werden. Pflan-zendle werden bei längerer Lagerung ranzig und sind aufgrund ihres geringen Anteils an gesättigten Fettsäuren nicht so hitzestabil wie Gänseschmalz oder Rindertalg.

Bäckereien brauchen Fette, die fest sind, damit die frittierten Backwaren nicht tropfen. Viele Planzenöle wurden daher gehärtet. Dabei bilden sich jedoch unge sunde Transfettsäuren. Manche Backwaren enthielten noch Ende des vorherigen Jahrhunderts 50 Prozent Trans-fettsäuren. Heute wird nach gesinderen Alternativen gesucht wie Oleogele oder umgesterte Ole mit höherem Schmelzpunkt.

Häufig ist im Internet zu lesen, dass Olivend nicht zum Braten und Frittieren geeignet sei, weil sich beim Erhitzen krebserregende Stoffe bildeten. Dies trifft jedoch eher für Rapsöl oder Sojaöl zu. Pflanzenöle wie Leinöl, Rapsöl oder Sojaöl, die einen nennenswerten Gehalt an Linolen-sture aufweisen, bilden beim Erhitzen durch die Oxidation der Linolensäure das hoch-kanzerogene Acrolein, das mit der Wasserdampf entweicht und in nicht geringen Mengen in der Atemluft in der Küche oder zum Beispiel über dem Wok nachgewiesen werden kann. Das gehäufte Auftreten von Lungenkrebs bei chinesischen Köchen, die in der Küche fast nur Sojaöl verwenden, ist bekannt.

Eine sogenannte mangelnde Hitzestabilität von Olivenöl wird immer mit einem Hinweis auf die sogenannte Rauchpunkt Tabelle begründet. Der Rauchpunkt ist ein veraltetes Analysenverfahren aus einer Zeit, als es noch keine geeigneteren Analysenverfahren gab. Versuche mit der Rauchpunktmethode haben gezeigt, dass sich Ergebnisse von zwei Labors oft mit mehr als 30 bis 40 C unterscheiden können. Zudem werden Messungen bei dieser antiquierten Methode durch Pflanzeninhaltstoffe gestört, wie sie vor aller in nativen Ölen vorkommen.

Frittieren mit Olivenöl:

Auch geschmacklich besser

Grundsätzlich können alle Ole zum Braten und Frittieren verwendet werden und sind bis 200 °C, ja bis 220 °C hitzestabil. Natives Olivenöl, raffiniertes Olivenöl und Oliventresteröl sind genauso stabil wie das oft gelobte Olsäurereiche Sonnenblumenöl (IOSO). Aber um auch eine gewisse Aromatislerung des Lebensmittels zu er-zielen, sollte ein Frittieröl zwischen zehn und 20 Prozent Linolsäure aufweisen, was im Gegensatz zum HOSO bei Olivenôl der Fall ist.

Im Vergleich zum Raffinat haben native Öle einen höheren Gehalt an wertvollen Inhaltstoffen wie Phytosteri-ne (nicht zu verwechseln mit Cholesterin), Polyphenolen, Terpenen und 'Tocopherolen, die es auch hitzestabiler ma-chen. Native Ole haben zudem einen höheren Anteil an polaren Pflanzeninhaltsstoffen, die das Spritzen in der Pfanne reduzieren. Auch beim Frittieren mit Extra Vergine Olivenöl bleiben viele Geruchs- und Geschmacksstoffe erhalten und können so die Sensorik des Bratgutes verbessern.

Das Problem ist weniger das Extra Vergine selbst als vielmehr sein Preis. Wichtig ist daher zu wissen, dass man Olivenöl in der Fritteuse im Haushalt ohne Probleme mehrmals (mindestens drei bis vier Mal) wiederverwenden kann.

Der Autor:

Bis 2013 Leiter des Chemischen Untersuchungsamtes in Hagen, besitzt eine 40-jährige Erfahrung in der Analytik und Technologie der Fette und Öle, er ist Autor und Co-Autor zahlreicher nationaler und internationaler Normen und Standardverfahren zur Analytik von Ölen und Fetten, war Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler Arbeitsgruppen und Expertengremien für die Analytik von Fetten und Ölen und von Olivenöl. Für Merum schreibt er regelmäßig über Aspekte der Analytik, Technologie und Gesetzgebung des Olivenöls.

Quelle Merum: https://www.merum.info/

Winterausgabe 2022 https://shop.merum.info/de/zeitschrift/merum-winterausgabe-2022-pdf-inklusive-selezione-sette-otto-444.html